Je suis Charlie

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Tuesday, 11 September 2018

Blasse Helden von Arthur Isarin


Inhalt: 
Wer Russland heute verstehen will, kommt an diesem fulminanten Roman nicht vorbei.
Der romantische Deutsche Anton zieht zu Beginn der 1990er Jahre nach Moskau. Hier hofft er jene Leichtigkeit und Freiheit zu finden, die er im Westen vermisst. Engagiert wird der 32-Jährige Deutsche von einem Rohstoffhändler, der für seine riskanten Geschäfte in der rapide zerfallenden Sowjetunion einen zuverlässigen Mr Fix-it sucht. Anton ist dafür der ideale Mann: Er hat keine politische Haltung, stellt keine moralischen Fragen und beherrscht die Kunst lässig-dionysischen Gleitens. Es verlangt ihn nach schönen Frauen, der hohen Kultur und, natürlich, Geld. Schnell erhält Anton Zugang zu den neuen Eliten des Landes. Er lässt sich treiben und führt als „blasser Held“ ein bizarres Leben unter kultivierten Banditen, Künstlern, Geheimdienstleuten, Betrügern, korrupten Unternehmern, Kokotten und mittellosen Schönheiten. Sein lustvoller Gleitflug endet jäh, als Putin ein Jahrzehnt später die Szene betritt. Anton muss sich entscheiden.
Ich glaube, man muss diese Zeit erlebt haben, um dieses Buch wirklich genießen zu können. Mich interessierte es, weil ich in der Zeit, in der das Buch spielt, für zwei Monate in Moskau lebte. Allein in dieser kurzen Zeit, in der ich eigentlich als Studentin dort war und mit Wirtschaft und Geschäften eigentlich gar nicht viel am Hut hatte, kam ich über die Menschen um mich herum, gerade auch die anderen Ausländer, mit vielen der von Isarin in diesem Buch geschilderten Dinge in Kontakt.

Um Politik kam man nicht herum, die Politik bestimmte das Leben und wenn man einmal Panzer auf dem Kutusovskij Prospekt hat fahren sehen, dann fühlt sich Politik auch gleich noch ein bisschen wichtiger an. Alles andere jedoch, das war Moskau. Man kam mit allem in Kontakt, weil einfach alles im Umbruch war. Es gab scheinbar wenig Regeln, der Stärkere oder Schlauere gewann. Es war eine faszinierende und manchmal auch leicht verstörende Zeit.

Arthur Isarin fängt die damalige Stimmung des Aufbruchs, des Umbruchs und der Gelegenheit auf überzeugende Weise in seinem Roman ein und vesetzte mich dann auch gleich wieder in die damalige Zeit zurück. Mit jeder Seite stiegen mehr und mehr Erinnerungen auf und auch wenn Anton, unser Protagonist, doch noch wieder ganz andere Erfahrungen macht als ich damals als Studentin, kehrte ich mit jeder Seite, die ich umblätterte immer weiter in das Moskau von damals zurück: Beängstigend, faszinierend und unvergesslich.

Mir gefiel das Buch sehr, allerdings kann ich durchaus nachvollziehen, wenn jemand, der mit der Zeit noch so gar nichts anfangen kann, vielleicht auch mit diesem Buch seine Probleme hat. Anton erscheint vielleicht ein wenig blass, ein wenig austauschbar, aber für mich mit meinen Erinnerungen, steht er für jeden jüngeren und älteren Unternehmer, den ich auf irgendwelchen Botschaftsempfängen oder "in freier Wildbahn" getroffen habe. Vielleicht auch für den jungen Soldaten, der mich bat, ihn über den Flohmarkt zu begleiten, damit er mit Hilfe meiner Sprachkenntnisse günstig Gold oder Silber kaufen könnte - die Gelegenheit machte die Unternehmer, ob in großem oder in kleinem Rahmen.
Ein tolles Gesellschaftsporträt eines faszinierenden Landes in einer turbulenten Zeit, in der alles möglich schien.

★★★★


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